Wie Games soziales Bewusstsein schaffen können

In der Themenreihe „nachhaltig-kreativ“ sprechen Unternehmer*innen aus Baden-Württemberg über nachhaltige Geschäftsmodelle in der Kreativwirtschaft. Heute: Causa Creations aus Karlsruhe

Laufender junger Mann vor einer zerstörten Stadt
Das Spiel „Path Out“ zeichnet den Weg eines jungen Künstlers nach, der vor dem syrischen Bürgerkrieg flieht. | Bild: Causa Creations

Die Signalfarbe der Nachhaltigkeit ist grün, aber zur Nachhaltigkeit gehört mehr als Klimaschutz. Nachhaltiges Denken und Handeln schließt auch soziale Aspekte ein – schließlich geht es darum, die Gesellschaft als Ganzes zukunftsfähig zu machen. Dabei müssen Ökologie und Ökonomie kein Gegensatz sein, sondern gehen idealerweise Hand in Hand. Social Entrepreneurship setzt sich für einen positiven gesellschaftlichen Wandel ein und sucht nach Lösungen für soziale Probleme.

Social Awareness Games zum Beispiel schaffen mit spielerischen Möglichkeiten ein Bewusstsein für kritische Fragen, ermöglichen Perspektivwechsel und bestenfalls mehr Empathie für andere. Die Idee dahinter ist, dass man sich beim Eintauchen in Spielewelten interaktiver, persönlicher und direkter mit einem Thema auseinandersetzt, als wenn darüber liest oder Nachrichten konsumiert. Wer zum Beispiel in die Rolle eine Flüchtlings schlüpft, der unter größten Strapazen Wüste und Mittelmeer durchquert auf dem Weg nach Europa, gewinnt ein neues Verständnis für die Beweggründe und Erfahrungen von Migranten.

Causa Creations, mit Sitz in Karlsruhe und Wien, entwickelt solche Serious Games, von der syrischen Flüchtlings-Odyssee über ein Puzzle zur Elektroschrott-Verwertung bis zum Strategiespiel rund um den Kampf eines indigenen Dorfes gegen eine Bergbaugesellschaft. Für die Themenreihe „nachhaltig-kreativ“ hat die MFG-Redaktion den Unternehmer Georg Hobmeier, Geschäftsführer des Gamestudios, nach seinen Erfahrungen gefragt.

Was bedeutet für euch soziale Nachhaltigkeit? 

Für uns ist soziale Nachhaltigkeit Kernthema unserer Arbeit. So gut wie alle unserer Projekte haben eine soziopolitische Ausrichtung. Der stärkste Fokus liegt dabei auf Migration und Flucht. Entsprechend verfolgen wir nun seit fast einem Jahrzehnt unterschiedliche Projekte zu dieser Thematik und versuchen sie Spieler*innen auf unterschiedlichen Plattformen näherzubringen.

Ist in den letzten Jahren die Nachfrage nach solchen Themen gestiegen?

Das Interesse und die Mittel sind tatsächlich gewachsen. Zu optimistisch darf man noch nicht werden, denn wir merken auch, wie schnell wir gerade mit dem Thema Migration an Grenzen unterschiedlicher Art stoßen. Wir hoffen, dass auch hier im mitteleuropäischen Raum öffentlich-rechtliche Sendeanstalten sich mehr für das Medium Spiel interessieren, wie es zum Beispiel in Frankreich schon der Fall ist.

Könnt ihr als kleineres Studio in diesem Bereich anders agieren als große Konzerne? Gibt es besondere Fallstricke, Risiken oder vielleicht sogar Wettbewerbsvorteile? 

Ich denke für Konzerne ist dieser Bereich maximal für Whitewashing interessant, es gibt hier weder das kommerzielle Interesse noch die inhaltliche Kompetenz. Die haben wir uns aber mehr oder weniger mühsam erarbeitet und agieren hier in einer Nische. Und wie so oft in Nischen, ist hier wenig Konkurrenz vorhanden, entsprechend agieren wir zumeist allein auf weiter Flur. Akquise bleibt aber ein knallhartes Thema. Viele Organisationen aus unterschiedlichen Bereichen sind interessiert, Projektideen kommen oft herbei geflogen, aber wenn dann mal die ersten Zahlen auf den Tisch liegen, wird eine der großen Herausforderungen der Spieleindustrie klar: Es ist ein teures Unterfangen. 

War es schwierig, in der Gamesbranche Fuß zu fassen?

Wir sind am Anfang mit recht viel Verve als Quereinsteiger aufgetreten. Manches ging gut, einiges nicht und es war nicht einfach mit dem Chaos der ersten Zeit produktiv umzugehen. Da wurden die Personenkonstellationen nochmals ordentlich durchgewürfelt, aber jetzt haben wir uns diesbezüglich stabilisiert.

Seid ihr Vorreiter? Können andere von euch lernen?

Also in der Gamesbranche sind wir, das kann ich ganz unarrogant behaupten, definitiv Pioniere. Was man davon lernen kann... Ich denke, dass Unternehmer*innen sich mehr Gedanken über den Wettbewerb machen sollten. Gerade in der Gamesbranche, die heillos überlaufen ist, wundert es mich immer wieder, dass alle mit dem Kopf durch die Wand wollen und sich dafür auch noch jahrelang anstellen müssen. Es ist ein großer Kuchen, aber viel zu viele stürzen sich auf das eine große Stück und haben meistens nur das eine Produkt und die eine Strategie. Das versuchen wir tatsächlich anders.

Welche Spiele habt ihr zuletzt veröffentlicht? 

Unsere letzten Spiele waren „Path Out“ und die Theaterinstallation „Vienna – All Tomorrows“, eine Videosimulation zum Schicksal Wiens in der nahen Zukunft. Wobei wir nach wie vor an Path Out arbeiten, das ist mit Abstand das wichtigste Projekt unserer Company. Es ist ein autobiografisches Adventure im Stil eines japanischen Rollenspiel-Games. Die Spieler*innen erleben die Reise von Abdullah Karam, einem jungen syrischen Künstler, der dem Bürgerkrieg 2014 entkam.

Mit wem tauscht ihr euch aus?

Mit den wenigen Unternehmen in dieser Ecke stehen wir natürlich in Kontakt, vor allem mit Gentle Troll aus Würzburg. Im Raum Baden-Württemberg habe ich mit Sharkbomb gearbeitet, wobei das ein willkommener Ausflug in die Welt der „normalen“ Indiespiele war und mit unserem Serious / Social Awareness Games Ansatz nichts zu tun hat. Für uns gibt es noch einen anderen extrem wichtigen Faktor für die Region: die Learntec. Zwar versäumen wir sie dieses Jahr wieder mal, aber eigentlich findet hier in Karlsruhe die wichtigste europäische Messe in dem Bereich statt.

Wie siehst du das: Kreativ und nachhaltig – passt das zusammen? 

Sehr gut, würde ich sagen. Nachhaltig arbeiten in der Kreativwirtschaft heißt auch flexibel und klug zu planen. So manch tolle Idee ist nämlich einfach nicht praktikabel beziehungsweise wirtschaftlich sinnvoll.

Nachhaltigkeit, Innovation und digitale Transformation

Auch die MFG Baden-Württemberg möchte sich künftig stärker mit dem Thema Nachhaltigkeit befassen. Neben der Initiative Green Shooting, mit der die MFG Filmförderung ressourcenschonendes Drehen unterstützt, plant die MFG Kreativ Vernetzungsmaßnahmen und Veranstaltungen rund um Nachhaltigkeit und Innovation für Kreativschaffende, KMU, Start-ups und Hochschulen. Ein Ziel dabei ist, digitale Transformation und Nachhaltigkeit als Innovationschance für den Mittelstand zu erschließen. Hier ist vor allem die Gamesbranche gefragt, um gemeinsam mit kreativen Technologien die Zukunft zu gestalten.

Interview: Ines Goldberg

Mehr Infos:

Causa Creations 
Green Shooting

Themenreihe nachhaltig-kreativ: 

Bewegt Nachhaltigkeit die Kreativen?
Reden wir über Werte

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