„Diversität ist kein Nice-to-have!”

Vielfalt im deutschen Film – dazu hat die FilmFacts-Redaktion recherchiert! So ist eine Interviewserie entstanden, die nun wöchentlich erscheint. Mit Nicole Ackermann haben wir über Parität als Erfolgsrezept gesprochen.

Porträtfoto und Zitat von Nicole Ackermann
Quelle: Nicole Ackermann

Im vergangenen Jahr hat die MFG eine umfangreiche Diversitäts-Studie der Initiativgruppe „Vielfalt im Film“ mitfinanziert. Zu ihren persönlichen Erfahrungen wurden über 6.000 Filmschaffende in Deutschland befragt. Die im Frühjahr veröffentlichten Ergebnisse sind eindeutig: Diskriminierung durchzieht die Branche. In der aktuellen Ausgabe der FilmFacts berichten wir ausführlich zu diesem Thema und legen den aktuellen Entwicklungsstand dar. Dafür haben wir u. a. Interviews mit Vertreter*innen der Initiativgruppe und anderen Branchenmitgliedern mit unterschiedlichen Vielfaltsbezügen geführt. Weitere Interviews lesen Sie hier.

 

NICOLE ACKERMANN ist als Filmproduzentin tätig und bereits in der vierten Amtsperiode Vorstandsvorsitzende von „Women in Film and Television“ (WIFT) e.V. Germany sowie seit 2018 Vorstandsmitglied bei WIFT International, welches in seinem Netzwerk weltweit ca. 20.000 Branchenmitglieder repräsentiert. Außerdem ist sie Gründungsmitglied der „Alliance of European Women’s Networks“. Sie wünscht sich vor allem mehr Sichtbarkeit und neue Chancen für Frauen, dafür setzt sie auf Austausch und hochwertige Netzwerke.

 

Konnten Sie selbst Defizite in Fragen der Gleichberechtigung und Vielfaltstoleranz in der Branche feststellen?

Als Frau wird man oft aus der Perspektive veralteter Rollenbilder betrachtet. Ich war immer unternehmerisch tätig – und ich war bei bei wichtigen Meetings mit Entscheidern meistens die einzige Frau. 

 

Welche Ursachen könnte diese ungleiche Verteilung haben?

Ich beobachte immer wieder, dass Frauen sehr gute Netzwerkerinnen sind, aber häufig passiver auftreten als Männer. Sie verbinden, aber sie geben weniger Eigenes hinein – ein eigenes Projekt zum Beispiel. Die Gründe dafür sind komplex. Männer werden in der Regel anders konditioniert, schon als Kinder. Die klassische Rollenverteilung lautet noch immer: Prinzessin und Krieger. Das sind Sozialisierungen, aus denen sich frau natürlich heraus entwickeln und sie überwinden kann. Allerdings kostet das Energie. Es ist ein Stein im Weg, den Männer so nicht überwinden müssen. Dieser Unterschied und die zusätzliche Leistung, die darin steckt, müssen anerkannt werden.

 

Hat sich seit der größeren medialen und gesellschaftlichen Präsenz des Themas bereits etwas verändert?

Es hat sich schon einiges getan, aber bis heute ist da viel Potential zur Veränderung. Unsere Branche hat eine gesellschaftliche Vorbildfunktion, da die Bilder, die sie produziert, die Gesellschaft prägen. Daraus ergibt sich eine große Verantwortung, welche Geschichten wir erzählen – und auf welche Weise wir es tun.

 

Wie könnte man Verbindlichkeit schaffen in der Branche – langfristig?

Ich bin keine Quotenverfechterin, aber wir sind so unvorstellbar weit von Parität entfernt, dass sich einfach noch viel tun muss. Studien belegen zudem, dass gerade im unternehmerischen und so entsprechend auch im produktionstechnischen Bereich gleichberechtigte Teams größeres Erfolgspotenzial haben. Wir brauchen dringend mehr Aufklärung darüber, dass Diversität für alle Beteiligten ein wesentlicher Erfolgsfaktor ist und kein Nice-to-have!

 

Wen sehen Sie neben der Politik in der Verantwortung?

Die Verantwortung dafür, den Wandel einzufordern, liegt bei den Frauen, aber sie allein können die Zustände nicht ändern. Das funktioniert nur im Austausch und in der Kommunikation. Es ist die gesellschaftliche Aufgabe aller. Jede Person kann reflektieren und bewusste Entscheidungen treffen, aber je einflussreicher die Person ist, desto relevanter sind diese natürlich.

 

WIFT hat schon häufiger mit Partnern wie der MFG Baden-Württemberg gemeinsame Projekte gestemmt. Wieso sind solche Zusammenarbeiten wichtig?

Jede Art von Zusammenarbeit und Allianz halte ich für positiv. Jeder hat seinen Fokus, aber es gibt Überschneidungen. Es ist auch hier der Netzwerkgedanke. Wir müssen Tempo aufnehmen und unsere Überzeugungen zugleich nachhaltig implementieren. Da hilft es, wenn verschiedene Partner mit verschiedenen Stärken zusammenarbeiten. Wichtig sind allerdings auch geschützte Räume, in denen Frauen Erfahrungen austauschen und frei sprechen können, um ihre Kräfte zu bündeln. Wir sehen z.B. WIFT auch als einen solchen Raum.

 

 

Das Gespräch führte Katrin Sikora.

  Aktuelle Ausgabe der FilmFacts: Close Up

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