Kreativ arbeiten in Krisenzeiten

Neue Interviewreihe: Kreative aus Baden-Württemberg erzählen, wie sie mit der Corona-Krise umgehen. Wir sprachen mit Daniel Reich über das Risiko, Filme zu machen mit und ohne Corona

In der Interviewreihe „Kreativ arbeiten in Krisenzeiten“ fragt die MFG-Redaktion Kultur- und Kreativschaffende aus Baden-Württemberg, wie sie mit der Krise zurechtkommen und  an was für Lösungen sie gerade arbeiten. Die Interviewreihe ist Teil der crossmedialen MFG-Kampagne „#bwbleibtkreativ“.

2007 haben Christoph Holthof und Daniel Reich kurhaus production in Baden-Baden gegründet. Seitdem entwickeln und realisieren sie Dokumentar- und Spielfilme, die den Blick für große Geschichten an kleinen Orten öffnen mit Stoffen aus, für und gegen die Zeit.

 

Wie hat die Corona-Pandemie Euren Produzentenalltag beeinträchtigt?

Wir hatten wirklich Glück, da wir weder in einer unmittelbaren Drehvorbereitung noch mitten in den Dreharbeiten waren, die wir im Zuge der Corona-Maßnahmen hätten unterbrechen müssen.

Als ersten Schritt haben wir ganz schnell auf Homeoffice umgestellt – jede*r unserer Mitarbeiter*innen arbeitet momentan von zu Hause aus. Umgangsformen wie Video- und Telefonkonferenzen sind in unserer Branche bereits etabliert, daher war die Umstellung ins Homeoffice für uns problemlos möglich. Wenn man nicht gerade dreht, wird üblicherweise sehr viel per Mail und per Telefon kommuniziert. Allerdings haben wir dieses Jahr noch zwei Spielfilmdrehs in Aussicht, die auf Ende Juni und auf Anfang August terminiert sind. Momentan gehen wir davon aus, dass wir die Termine einhalten können.

Das größte Problem, das aber jeden in der Branche treffen kann, ist die Frage, wie man während eines Drehs mit einem Drehabbruch aufgrund von Corona umgeht. In der Regel gibt es eine Filmausfallversicherung – die greift aber nicht in einem Pandemie-Fall.

Ihr seid nicht alleine in dieser schwierigen Situation …

Wir sind im regen Austausch mit anderen Produzent*innen, mit dem Produzentenverband und natürlich auch mit den Ansprechpartner*innen der MFG Filmförderung sowie Vertreter*innen der einzelnen TV-Sender. Allerdings gibt es für Kinokoproduktionen und Auftragsproduktionen noch kein Modell, das etwaige Mehrkosten auffangen könnte. Und das ist auch unsere Hauptsorge – wir gehen aber davon aus, dass wir gemeinsam eine Lösung finden werden.

Der von euch produzierte und MFG-geförderte Spielfilm „Kopfplatzen“ (mit Max Riemelt) hätte ja eigentlich am 2. April seinen Kinostart gehabt?

Uns war relativ schnell klar, dass der Kinostart nicht stattfinden kann, da die Kinos in Deutschland alle schließen mussten. Daraus entstanden ist eine Alternativform: Ein zeitlich befristetes Video-on-Demand Angebot.[1] Das war für uns eine sehr gute Alternative, um den Film überhaupt publik zu machen. Es gibt uns aber auch die Möglichkeit, danach genauer auszuwerten, wie und ob das Angebot beim Publikum ankam.

Eine Voraussetzung für die alternative Auswertung war, dass die Pressearbeit bereits geleistet war, bzw. die Presse überhaupt bereit war, in ihren Artikeln über die alternative Veröffentlichung zu schreiben. Ansonsten hätte das ganz in einem luftleeren Raum stattgefunden. Auch hätte es ohne die Zustimmung der MFG keinen Online-Kinostart gegeben, denn eigentlich ist ein Online-Start genau das Gegenteil von einem Kinostart. Aber zum Glück war das Verständnis an dieser Stelle da, denn keiner kann absehen, wann die Kinos wieder öffnen und welche Filme dann überhaupt noch starten werden. Schließlich steigt die Anzahl der verschobenen Filmstarts laufend an und die Kinos müssen zusätzlich zu den bereits geplanten Kinostarts in der zweiten Jahreshälfte weitere einplanen – eine äußert schwierige Situation für die Verleiher und Kinobetreiber.

Die sogenannten Solo-Selbständigen wie Kostümbilder*innen, Cutter*innen etc. sind momentan am stärksten betroffen. Wie kommuniziert ihr mit euren Teams?

Wir haben relativ früh eine Mail an die Teammitglieder, die bereits für den ersten Spielfilmdreh feststanden, verfasst. So konnten wir erstmal unsere Einschätzung und Haltung gegenüber der Gesamtsituation kundtun und ein Datum festlegen, zu dem wir uns wieder mit allen in Verbindung setzen würden. Wir haben versucht, Zuversicht zu verbreiten, da momentan wirklich keiner einschätzen kann, was passieren wird. Das einzige, was wir momentan sagen können, ist, dass wir die Schritte, die wir gehen können, gemeinsam gehen werden.

Welche Rolle spielen aktuell für euch die sozialen Medien?

Sie haben auf jeden Fall einen verstärkenden Effekt. Und es kann in sehr unterschiedliche Richtungen gehen, ohne dass es wirklich kontrollierbar wäre. Dass man sich austauscht, ist generell wichtig. Ob das jetzt auf Facebook beispielsweise zu wichtigen Erkenntnissen und Handlungsmöglichkeiten oder zur allgemeinen Beruhigung führt, würde ich fast bezweifeln. Tatsächlich hilft es mehr, wenn man den Hörer in die Hand nimmt und den direkten Kontakt sucht. Bei sozialen Medien tendiert man eher dazu, dass starke Meinungen noch stärker werden und die Differenzierungen nach und nach verloren gehen. Trotz allem ist es auch für uns eine Form des Austausches, keine Frage.

Welche Art der Unterstützung wäre für Euch wirklich hilfreich?

Für uns und für all diejenigen, die noch Drehs ausstehen/bevorstehen haben, bleibt die große Frage: Wer übernimmt die Mehrkosten im Falle eines Drehabbruchs oder einer Drehunterbrechung und wer tritt dafür ein? Dafür braucht es eine Lösung. Wichtig ist, dass Mehrkosten, die sonst in der Regel versichert wären, auch im Corona-Fall abgedeckt werden können.

Uns allen bleibt nichts anderes übrig als Schritt für Schritt zu schauen, wie man mit der momentanen Situation umgeht. Alle Filmschaffenden trifft die gleiche Unsicherheit: Wie wird gedreht? Wird überhaupt noch gedreht dieses Jahr? Unter welchen Bedingungen wird gedreht und mit welchen Vorsichtsmaßnahmen? Kann man Risiken ausschließen? Das beschäftigt uns alle, aber keiner hat die große Lösung und keiner ist in der Lage Sicherheit zu vermitteln. Aber natürlich ist die Filmbranche schon immer eine Risikobranche gewesen – man lernt mit Risiken umzugehen und braucht dabei immer eine gute Portion Selbstvertrauen und Zuversicht, um den Wahnsinn Film unter sonst auch „normalen“ Bedingungen hinzukriegen. Das darf uns auch weiterhin nicht verloren gehen.

[1] Bis zum 30. April kann man „Kopfplatzen“ auf der Plattform vom Verleih Salzgeber „Salzgeber Club“ ausleihen und zuhause angucken.

 

Interview: Tabea Kempf

Mehr Infos:

kurhaus production

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